DER VEREIN
Bei Krankheit, im Sterben oder bei Schicksalsschlägen ist es für viele Menschen wichtig, gemäss ihrer religiösen oder spirituellen Beheimatung unterstützt zu werden.
Im multireligiösen Kanton Bern sollen Konfessionsfreie und Menschen aus verschiedenen Religionsgemeinschaften die Möglichkeit erhalten, kompetent von qualifizierten Personen ihrer Kultur und Religion begleitet zu werden.
Dafür soll die professionelle jüdisch-christliche Spital- und Heimseelsorge durch ehrenamtliche Begleitung von Vertreter:innen religiöser und konfessionsfreier Gemeinschaften ergänzt werden.
Zu diesem Zweck wurde 2021 der «Verein Multireligiöse Begleitung» gegründet, der von Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften gemeinsam geführt wird.
Dieser Verein bildet geeignete Begleitende aus, organisiert ihre Einsätze, sorgt für angemessene Entschädigungen und sichert die Qualität ihrer Arbeit.
2017 initiierte die Interkonfessionelle Konferenz (IKK) der drei Landeskirchen und der Jüdischen Gemeinden Bern das Projekt «Religiöse Begleitung für Angehörige nichtchristlicher Religionen in Spitälern».
Ende des Jahres wurde es von den Synoden der reformierten und römisch-katholischen Landeskirchen gutgeheissen. Die IKK setzte darauf eine Steuergruppe mit Vertreter:innen aus den Kirchen, aus der Spitalseelsorge und aus dem Haus der Religionen ein, die das Pilotprojekt anstiess, unterstützte und steuerte.
Dazu rief die Steuergruppe «Religiöse Begleitung» eine multireligiöse Gruppe von 16 Frauen und Männern aus sechs Religionsgemeinschaften ins Leben, bestehend aus Mitgliedern mit Erfahrung in der religiösen Begleitung und mit Wissen über ihre eigene Religion. Diese multireligiöse Fachgruppe («Kerngruppe») hat Grundsätze zu Qualität und Ethik der ehrenamtlichen religiösen Begleitung sowie die Lernziele für das Fortbildungsprogramm erarbeitet.
Gründungsgruppe 2019
Grundsätze für die ehrenamtliche religiöse und konfessionsfreie Begleitung von Menschen in Institutionen
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1.1
Religiös und konfessionsfreie Begleitende klären sorgfältig ab, ob ihr Besuch erwünscht ist. Religiös Begleitende ziehen sich zurück, wenn sie nicht erwünscht sind und klären ab, ob jemand anderes gewünscht ist.
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1.2
Religiös und konfessionsfreie Begleitende bieten ihre Dienste den Betroffenen an. Sie fragen, was sie für sie machen können. Sie hören aktiv und einfühlend zu. Sie nehmen die religiösen und kulturellen Bedürfnisse der Betroffenen wahr, respektieren sie und gehen auf sie ein.
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1.3
Religiös und konfessionsfreie Begleitende werten niemanden ab, sie verurteilen niemanden und zwingen niemandem etwas auf.
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1.4
Religiös und konfessionsfreie Begleitende respektieren die Selbstverantwortung der Betroffenen und nehmen deren Entscheidungen zur Kenntnis, ohne die Person zu verurteilen.
Religiös Begleitende stehen zu ihren Grenzen und teilen es den Betroffenen mit, wenn für sie eine Begleitung nicht weiter möglich ist. -
1.5
Religiös und konfessionsfreie Begleitende achten die Privatsphäre und wahren die Schweigepflicht
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1.6
Religiös und konfessionsfreie Begleitende respektieren alle Menschen unabhängig von ihren Weltanschauungen und Lebensentwürfen.
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1.7
Religiös und konfessionsfreie Begleitende gehen sorgfältig mit Nähe und Distanz um.
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2.1
Religiös und konfessionsfreie Begleitende erklären den Angehörigen und weiteren Bezugspersonen ihren Auftrag und dass sie immer die betroffene Person, sofern sie urteilsfähig ist, fragen, ob sie eine Begleitung wünsche.
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2.2
Religiös und konfessionsfreie Begleitende nehmen die Angehörigen und weitere Bezugspersonen wahr und bieten auch ihnen das Gespräch an. Bei Bedarf verweisen sie die Angehörigen auf weitere Unterstützungsangebote.
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3.1
Religiös und konfessionsfreie Begleitende sind mit der eigenen Gemeinschaft vernetzt und werden von dieser unterstützt.
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3.2
Religiös und konfessionsfreie Begleitende vernetzen sich mit anderen Begleitenden und mit anderen Gemeinschaften.
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3.3
Religiös und konfessionsfreie Begleitende kommunizieren ihre Grundsätze gegenüber den Institutionen, in denen sie arbeiten.
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3.4
Religiös und konfessionsfreie Begleitende arbeiten mit den Fachleuten in den betreffenden Institutionen zusammen. Sie kennen die Rahmenbedingungen der Institution für die Begleitung.
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4.1
Religiös und konfessionsfreie Begleitende tragen Sorge zu sich selbst und holen sich bei Bedarf Hilfe.
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4.2
Religiös und konfessionsfreie Begleitende kennen die Sicherheitsmassnahmen der Institution und beachten sie.
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4.3
Religiös und konfessionsfreie Begleitende bilden sich regelmässig weiter (Supervision, Kurse, Tagungen etc.).
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4.4
Religiös und konfessionsfreie Begleitende leben und reflektieren ihre eigene Spiritualität.
Bern, Dezember 2019
Arbeitsgruppe von acht Frauen und acht Männern aus
alevitischen, buddhistischen, christlichen, hinduistischen,
jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften.
Moderation und Redaktion: Philipp Koenig und Pascal Mösli
Ergänzt und durch die Mitgliederversammlung genehmigt am 27.06.2022.